Cellokonzerte bei ProArte
„Für mich ist das Cello zuerst ein singendes Instrument. Es ähnelt am meisten der menschlichen Stimme, es hat die gleichen Register und melodische Qualitäten. Das Cello-Spiel empfinde ich deshalb so, als ob ich zum Publikum singe durch mein Instrument, anstatt meine Stimme zu benutzen.“ Wer das Violoncello schon einmal live im Konzert gehört hat, kann nicht umhin, Truls Mørk zuzustimmen. Vermutlich ist er – als international erfolgreicher Cellist – nicht ganz unparteiisch, was „sein“ Instrument angeht. Dennoch ist unbestreitbar, dass das Cello mit seinem warmen, dunklen Klang direkt unter die Haut geht: ganz egal, ob man es als Soloinstrument mit großem Orchester hört oder allein im Rezital – mit Werken wie den wunderbaren Cellosuiten von Johann Sebastian Bach.
Das 18. Jahrhundert: Cello vs. Gambe
Dabei ist das Violoncello unter den mit Solorepertoire bedachten Instrumenten vergleichsweise ein Spätzünder: Die ersten Celli entstanden im 16. Jahrhundert und fungierten in der Regel als Begleitinstrumente, als Soloinstrument wurde eher die Gambe verwendet. Das änderte sich rasant in der Barockzeit: Allein Antonio Vivaldi schrieb 27 Cellokonzerte, Bach steuerte seine erwähnten Suiten zum Repertoire bei, einige Jahrzehnte später folgten die Meisterwerke von Luigi Boccherini und Joseph Haydn – und bald hatte das Cello der Gambe den Rang abgelaufen.
Das 19. Jahrhundert: schwelgerische Klänge
Selbst im violin- und klavierversessenen 19. Jahrhundert entstanden eine Reihe grandioser Cellokonzerte: Unter anderem komponierten Robert Schumann, Antonín Dvořák, Édouard Lalo und Camille Saint-Saëns Gattungsbeiträge, die heute aus dem Repertoire nicht mehr wegzudenken sind. Mit Ludwig van Beethovens Tripelkonzert und Johannes Brahms’ Doppelkonzert gesellten sich zwei Meisterwerke der besonderen Art dem Reigen der Kompositionen hinzu, in denen das Violoncello solistisch glänzen kann.
Das 20. Jahrhundert: Höhepunkte der Celloliteratur
Als wahres Paradies der Celloliteratur entpuppte sich dann aber das 20. Jahrhundert. Ob Henri Dutilleux, Bohuslav Martinů oder Benjamin Britten: Quasi jeder Komponist, der etwas auf sich hielt, komponierte Cellokonzerte. Und dass Musik aus dem 20. Jahrhundert mindestens ebenso großartig und repertoiretauglich ist wie die früherer Zeiten, beweisen längst zu Klassikern gewordene Meisterwerke wie die beiden Cellokonzerte von Dmitri Schostakowitsch oder das von Edward Elgar.
Und natürlich sind auch bei ProArte immer wieder Cellist:innen zu Gast, die zu erleben man sich nicht entgehen lassen sollte.
Pablo Ferrández
„Ich bin Pablo, ich spiele Cello“, so stellte Pablo Ferrández sich schon im Kindergarten vor. Und tatsächlich war ihm das Cello in die Wiege gelegt: Der Vater hatte sein Studium abgebrochen und war Cellist geworden, nachdem er den legendären Pau (Pablo) Casals hatte spielen hören – nach ihm benannte er dann auch den Sohn.
Der war glücklicherweise mehr als einverstanden mit dem vorgezeichneten Weg. Sieg beim Tschaikowsky-Wettbewerb, Stipendiat der Anne-Sophie Mutter Stiftung, Leihgabe eines Stradivari-Cellos: Man konnte kaum zuschauen, so schnell erklomm Pablo Ferrández die internationale Karriereleiter. Dabei begeistert er Publikum, Presse und Mentor:innen gleichermaßen . „Technik, Esprit, Autorität und überwältigendes Charisma“ bescheinigt Christoph Eschenbach dem jungen Spanier, Anne-Sophie Mutter preist „seinen wunderbaren Ton, sein sehr raffiniertes Vibrato, seine makellose linke und rechte Hand“.
Von diesen Qualitäten kann man sich bei ProArte im November überzeugen, wenn Pablo Ferrández das hochromantische Cellokonzert von Robert Schumann in der Elbphilharmonie präsentiert.
Edward Gardner | Pablo Ferrández
Vergangene Veranstaltung
Daniel Müller-Schott
Sein kontinuierlicher und ausgesprochen unaufgeregter Weg in der Klassik-Welt täuscht von außen betrachtet ein wenig darüber hinweg, dass Daniel Müller-Schott zur absoluten Weltspitze unter den Cellospielern gehört. Er war der erste Stipendiat der Anne-Sophie Mutter Stiftung, wird für seinen runden, vollen Ton, seinen emotionalen Tiefgang und die „existenzielle Dringlichkeit“ (Stuttgarter Nachrichten) seines Spiels gepriesen.
Auch für Außergewöhnliches ist Müller-Schott zu haben: 2006 parlierte er mit Nationalspieler Philipp Lahm über Fußball (Müller-Schott ist selbst begeisterter Hobby-Fußballer).
2008 wiederum spielte er Dmitri Schostakowitschs erstes Cellokonzert auf dem Heavy-Metal-Festival in Roskilde – vor rund 20.000 Metal-Fans. Ein anderes Mal trat er mit den Cellosuiten von Bach als „Vorgruppe“ zu Metallica auf. In beiden Fällen erlebte er, wie sich dort auch Menschen, die sonst wenig Bezug zu Klassik haben, schnell von der Kraft der Musik anstecken ließen.
Bei ProArte spielt Daniel Müller-Schott den Cellopart in Beethovens Tripelkonzert mit der Academy of St Martin in the Fields, Tomo Keller an der Violine und Jan Lisiecki am Klavier.
Jan Lisiecki | Beethoven-Zyklus III
Sheku Kanneh-Mason
Sheku Kanneh-Mason stammt aus einer wirklich bemerkenswerten Familie: Er wuchs mit sechs hochmusikalischen Geschwistern auf, die Familie war also quasi schon ein eigenes Kammerorchester. Bei Britain’s Got Talent erreichte der junge Cellist mit fünf seiner Geschwister 2015 das Halbfinale, was die musikalische Familie schlagartig bekannt machte. Doch auch allein ging Sheku Kanneh-Mason rasch seinen Weg: Mit 17 Jahren gewann er den Wettbewerb BBC Young Musician und unterschrieb einen Vertrag beim Plattenlabel Decca. 2018 folgte ein ECHO KLASSIK als Nachwuchskünstler des Jahres; im gleichen Jahr spielte er Cello auf der Hochzeit von Meghan Markle und Prinz Harry – ein Auftritt, der live und an den Bildschirmen von etwa zwei Milliarden Menschen verfolgt wurde.
Mit Edward Elgars Cellokonzert gelangte Sheku Kanneh-Mason 2020 als erster Cellist überhaupt in die Top Ten der britischen Klassik-Charts, ein Jahr zuvor schon hatte ihn die Queen zum Ritter geschlagen. Heute ist er auf den Bühnen in aller Welt zu erleben.
Doch trotz seines kometenhaften Aufstiegs in der Klassik-Welt lässt sich der 1999 geborenen Nottinghamer von seinem Erfolg nicht aus der Bahn werfen. In seiner Freizeit spielt er Fußball und ist eingefleischter Arsenal-Fan. Er liebt Bob Marley und erzählt lachend, wie er früher immer im Badezimmer Cello geübt habe – weil es dort am besten klang.
In Hamburg kann man Sheku Kanneh-Mason im Februar 2025 mit dem ersten Cellokonzert von Dmitri Schostakowitsch und Maurice Ravels Kaddisch erleben.
Camerata Salzburg
Sol Gabetta
„Wenn ich zu monoton lebe, dann verliere ich die Kraft, Neues zu entwickeln“, charakterisiert Sol Gabetta sich selbst. Wenn man sich die Tätigkeitsbereiche der Starcellistin allerdings anschaut, ist Monotonie weit und breit nicht in Sicht: Neben ihrer internationalen Konzerttätigkeit veranstaltet sie ein eigenes Kammermusikfestival in ihrer Schweizerischen Heimat, ist Künstlerische Leiterin des Presenza-Festival Lugano und unterrichtet an der Musik-Akademie Basel. Zudem moderierte sie bis Mai 2023 im Wechsel mit Martin Grubinger die Klassik-Sendung KlickKlack.
Zum Glück findet die vielseitige Künstlerin trotz ihrer zahlreichen Aufgaben immer noch genug Zeit für ihre Konzerttätigkeit. Und so freuen wir uns, sie bei ProArte auch in der Saison 2024/25 wieder zu begrüßen. Gemeinsam mit dem Orchestre national du Capitole de Toulouse präsentiert sie Ernest Blochs klangprächtige Rhapsodie Schelomo, ein Werk, von dem sie schwärmt, es biete ihrem Instrument „eine unglaubliche Plattform“.
Tarmo Peltokoski | Sol Gabetta