Acht Repertoireklassiker, die in der Saison 2023/24 in unseren ProArte-Konzerten zu Gehör kommen.
Cellokonzert
Es beginnt ganz leise – eine Klarinette mit Streicherbegleitung – und entfaltet innerhalb kürzester Zeit eine ganze musikalische Welt voller Dramatik, Sehnsucht und Leidenschaft: das Cellokonzert von Antonín Dvořák. Johannes Brahms soll nach der Lektüre der Partitur ausgerufen haben: „Warum habe ich nicht gewusst, dass man ein Cellokonzert wie dieses schreiben kann? Hätte ich es gewusst, hätte ich schon vor langer Zeit eines geschrieben!“ Und er war mit seiner Meinung nicht allein: Nach der Uraufführung eroberte das Konzert mit seiner meisterhaften Mischung aus schwelgerischer Melodik, atemberaubender Virtuosität und üppigem Orchesterklang rasch die Bühnen der Welt und gehört bis heute ins Repertoire so ziemlich jedes Cellisten: ein echter „Klassiker der Klassik“ eben.
Edward Gardner | Nicolas Altstaedt
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Petr Popelka | Gautier Capuçon
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Symphonie fantastique
Hector Berlioz war im Liebesrausch. In einer Aufführung von Shakespeares Hamlet am 11. September 1827 hatte der 23-Jährige die Schauspielerin Harriet Smithson als Ophelia gesehen und stand nun lichterloh in Flammen. Zwar blieben die Briefe (ebenso wie die Gefühle) des jungen Mannes unerwidert, doch davon ließ er sich nicht bremsen.
Stattdessen setzte er sich hin und goss seine Leidenschaft in Musik. Das Resultat: ein Werk, das ebenso wild und unkonventionell daherkommt wie sein Schöpfer selbst und den Grundstein für Berlioz’ Ruhm legen sollte – die Symphonie fantastique. In fünf Sätzen schildert diese „Fantastische Sinfonie“ das Seelenleben eines verliebten Künstlers zwischen Freude und Sehnen, Schmerz und Rausch. Heute gilt sie als eines der wichtigsten Werke der musikalischen Romantik: ein farbsprühendes Orchestergemälde, zusammengehalten von einem Leitmotiv, der „idée fixe“, musikalische Chiffre für die Angebetete. Fünf Jahre nach der legendären Hamlet-Aufführung hörte Harriet Smithson übrigens die Symphonie fantastique, verliebte sich nun ihrerseits in den Komponisten und heiratete ihn. Und auch wenn die Ehe nicht lange glücklich war, verdankt die Welt dieser Romanze doch eines der bemerkenswertesten Werke der klassischen Musik.
Kazuki Yamada | María Dueñas
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Le sacre du printemps
Protestgeschrei, Ohrfeigen, Duellforderungen: Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Pariser Uraufführung von Igor Strawinskys Le sacre du printemps ein handfester Skandal war. Doch es ist nicht der Skandal allein, aufgrund dessen Strawinskys Ballett in die Musikgeschichte einging. Nein, an diesem 29. Mai 1913 wurde die Vorstellung der Menschen davon, wie Musik zu klingen und wovon sie zu handeln hatte, schwungvoll und nachhaltig umgekrempelt.
War es bis dahin die mehr oder weniger unausgesprochene Regel gewesen, dass Musik in poetischem Ton entweder von sich selbst oder aber von erbaulichen Dingen sprechen sollte, ging es im Sacre ans Eingemachte: Leben und Tod, untrennbar miteinander verbunden in einem Menschenopfer, das als Fruchtbarkeitsritual die Wiederkehr des Frühlings garantieren soll. Diesen radikal neuen Inhalt setzte Strawinsky mit so wilder Schönheit in Töne, dass den unvorbereiteten Zeitgenoss:innen Hören und Sehen vergangen sein dürfte.
Rhythmen, Tonarten und Motive überlagern sich, die Klangmöglichkeiten des Orchesters werden bis an ihre Grenzen ausgeschöpft. Die Gesamtwirkung ist so ungeheuerlich und so bezwingend, dass es bis heute kaum möglich ist, sich ihr zu entziehen. Und auch zu Strawinskys Lebzeiten ließ die Anerkennung nicht lange auf sich warten: Nur ein Jahr nach der skandalumwitterten Uraufführung erlebte Le sacre du printemps im Konzert den immensen Erfolg, der es bis heute zu einem der Schlüsselwerke der frühen Moderne macht.
Beethoven: Sinfonie Nr. 7 | Strawinsky: Le sacre du printemps
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Daphnis et Chloé, Suite Nr. 2
„Meine Absicht, als ich es schrieb, war, ein großes musikalisches Freskogemelde zu komponieren, weniger auf Archaik bedacht als auf Treue zu dem Griechenland meiner Träume“, so beschrieb Maurice Ravel die musikalische Grundidee zu seinem Ballett Daphnis et Chloé. Und das Griechenland seiner Träume muss wahrlich ein wundervoller Ort gewesen sein – so duftig, reich und farbenfroh kommt die Musik daher, die der Komponist in den Jahren 1909 bis 1912 erdachte. Ursprünglich war das Werk ein Auftrag des legendären Impresarios Sergej Diaghilew, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinen Ballets Russes das kulturbegeisterte Europa in einen wahren Tanzrausch versetzte. Doch Ravel schuf aus der Musik zu dem 1912 uraufgeführten Ballett auch zwei Orchestersuiten, von denen vor allem die zweite eine bis heute höchst erfolgreiche Karriere auf den Konzertbühnen macht. Und das zu Recht: Seit ihrer ersten Aufführung gilt die Musik zu der antiken Liebesgeschichte als das beste unter den Werken Ravels.
Daniel Harding | Sol Gabetta
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„Jupiter-Sinfonie“
Göttervater, Blitzeschleuderer, Weltenherrscher: All das ist Jupiter, oberster Gott der alten Römer – und Namenspatron von Wolfgang Amadeus Mozarts letzter Sinfonie. Was aber hat der Österreicher Mozart, der klassischste aller klassischen Komponisten, um Himmels willen mit dem Oberhaupt der weitverzweigten altrömischen Göttersippe zu tun? Wohl vor allem eines: Die absolut unerreichbare Höhe. Diese Unerreichbarkeit der Mozart’schen Kunst noch einmal zu unterstreichen, war denn auch mit Sicherheit der Hintergedanke des klugen Konzertveranstalters Johann Peter Salomon, der Mozarts grandioser C-Dur-Sinfonie ihren Beinamen verpasste. Der Name blieb – und scheint bis heute angemessen, gilt doch die formvollendete „Jupiter-Sinfonie“ als Mozarts absolutes sinfonisches Meisterwerk.
Adam Fischer | Beatrice Rana
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Sinfonie Nr. 6 „Pathétique“
Mozarts Requiem, Bruckners neunte Sinfonie, Mendelssohns turbulentes f-Moll-Streichquartett: Letzte Werke umgibt häufig ein Hauch des Mystischen – und je prominenter der Komponist, desto größer das Geheimnis. Pjotr Iljitsch Tschaikowskys sechste Sinfonie bildet hier keine Ausnahme. Dazu trugen schon die Äußerungen des Komponisten selbst bei. Die Sinfonie solle „den Schlussstein meines ganzen Schaffens bilden“, teilte Tschaikowsky dem eng befreundeten Großfürsten Konstantin mit; seine ganze Seele habe er in das Werk hineingelegt. Der Großfürst wiederum soll nach der Generalprobe erschüttert ausgerufen haben: „Was haben Sie nur getan?! Das ist doch ein Requiem, ein richtiges Requiem!“ Tatsächlich starb Pjotr Iljitsch Tschaikowsky nur wenige Tage nach der Uraufführung der Sinfonie unter bis heute ungeklärten Umständen. Ob er aber mit der seelenvollen Pathétique sein eigenes Ende vorausgeahnt hat, darf dann wohl doch bezweifelt werden.
Andris Nelsons
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Sinfonie Nr. 5
Der „Triumph des menschlichen Geistes“ sei der Kerngedanke seiner fünften Sinfonie, äußerte Sergej Prokofjew nach der Uraufführung des Werks im Januar 1945. Ein nachvollziehbarer Gedanke – gab es doch in jener Zeit von Hass, Gewalt und Krieg wohl nichts, was ferner schien als ein wie auch immer geartetes Walten des „menschlichen Geistes“. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was hinter dieser ebenso politisch unangreifbaren wie – Verzeihung – nichtssagenden Floskel steckt. Denn man darf nicht vergessen, dass Prokofjew, wenn auch freiwillig, in einer Diktatur lebte. Zwar feierte er als Künstler große Erfolge unter dem Stalin-Regime, doch auch er bekam die dunklen Seiten dieser Herrschaft mehr als einmal zu spüren. Ähnlich ambivalent zeigt sich die Sinfonie, die zwischen heldenhaftem Gestus, spitzbübischem Tanz und dramatischer Prozession ein breites Farbspektrum entfaltet. Kurz vor Schluss droht die Musik beinahe aus dem Ruder zu laufen; mit einem geradezu gewaltsamen Schlag bringt Prokofjew das Werk unvermittelt zum Ende: Triumph – oder Katastrophe?
Andris Nelsons | Anne-Sophie Mutter
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Sinfonie Nr. 5
Ta-ta-ta-taaaa!! Der Anfang von Beethovens „Fünfter“ ist wohl das bekannteste Motiv der gesamten klassischen Musik. „So pocht das Schicksal an die Pforte“, soll der Komponist seinem Biografen Anton Schindler anvertraut haben. Und folgerichtig stilisierte man die Sinfonie im 19. Jahrhundert zum persönlichen Bekenntnis des Wiener Meisters, der darin sein Ringen mit den Widrigkeiten des Lebens hochdramatisch in Töne gegossen habe.
Als wahrscheinlicher gilt heute allerdings, dass Beethoven das kurze Motiv aus der Hymne du Panthéon seines Kollegen Luigi Cherubini entliehen hat: Dort besingen die „Wächter des Friedens“ in einem zum Verwechseln ähnlichen Rhythmus ihre Entschlossenheit, notfalls bis zum Tod für die Republik zu kämpfen. Die Aussage würde durchaus zu Beethoven passen, der bekanntermaßen stark mit den Idealen der Französischen Revolution sympathisierte. Doch ob die Musik der c-Moll-Sinfonie nun einem außermusikalischen Gedanken folgt oder nicht: Fraglos behauptet sie bis heute ihren Platz als eines der ganz großen Werke der Musikgeschichte.
Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5 | Beethoven: Sinfonie Nr. 5
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