About Time
Florian Christl
Dienstag, 9. April 2024 | 19:30 | Elbphilharmonie, Kleiner SaalProgramm
Florian Christl
About Time (Auszüge)
und weitere Werke
Zugaben:
Florian Christl, Budapest
Antonio Vivaldi, I. Allegro, aus: Concerto grosso g-Moll RV 156 (Arrangement: Florian Christl)
Florian Christl, Encore
Besetzung
Florian Christl Klavier
Clara Büsel Violine I
Leandro Hauxwell Violine II
Alona Khlevna Viola
Gereon Theis Violoncello I
Benedikt Wagner Violoncello II
Nikolaus Franz Kontrabass
Mit Gefühl
Es geht ums Fühlen. Hineinfühlen. Mit Haut und Haar ins Gefühl reinstürzen. Drin baden, eintauchen, es über sich hinweg spülen lassen. Ein Bad in Tönen, ein Klangbad nehmen.
Am besten geht das mit geschlossenen Augen. Und so sieht man den Konzerten von Florian Christl viele aufeinander gedrückte Lider. Es hat fast etwas Sektenartiges, aber davon sollte man sich nicht abschrecken und vor allem nicht abhalten lassen.
Florian Christls Musik nimmt man am besten mit geschlossenen Augen wahr. Dann lenkt nichts ab, dann können die Töne direkt durchs Ohr ins Gefühlszentrum, in die Seele gelangen und dort berühren.
Das klingt vielleicht anmaßend, aber nichts anderes möchte Florian Christl. „Musik ist ein Verstärker für Emotion. Musik hat eine Kraft, all diese Emotionen auf ein magisches Level zu heben. Für einen Moment fühlt es sich dann vielleicht sogar an, als wären wir mehr als nur Menschen.“
Und dieses Gefühl hatte der 1990 im ost-bayerischen Amberg geborene Christl schon im Alter von sechs Jahren nach seiner allerersten Klavierstunde, die er zusammen mit seiner Schwester absolvierte. Für ihn war klar: Das will ich machen. Und er vertraute auf sein erstes Gefühl.
Er ging weiterhin zum Klavierunterricht, besuchte eine Schule mit musikalischem Schwerpunkt … und fiel dann doch ins Null-Bock-Loch, das so viele Teenager haben. Wenn sein Opa ihn zum Klavierunterricht abholen wollte, versteckte er sich. Und als die Familie nach einem Umzug für ein Jahr kein Klavier zu Hause hatte, vermisste er nichts.
Florian Christl bei seiner zweiten großen Leidenschaft: Surfen auf der berühmten Eisbachwelle in München.
Neue Wege
Gefühle können also auch täuschen? Nein, es war viel eher so, dass Florian Christl sich in dieser akademisierten Musikausbildung nicht wohl fühlte. Er wollte selbst Musik erschaffen, kreativ sein.
„Ich versuche, meine Gedanken und Gefühle durch meine Musik auszudrücken. Durch das Hören meiner Kompositionen möchte ich dem Publikum das Gefühl vermitteln, das ich empfunden habe, als ich das Stück geschrieben habe. Ich denke also, dass meine kompositorische Sprache am stärksten von Emotionen geprägt ist.“
Damit hat Florian Christl nicht nur recht, damit trifft er bei seinem Publikum auch voll ins Schwarze. Und er trifft den Puls der Zeit.
Denn seine Musik ist Klang gewordene Realitätsflucht. Pandemie, Kriege, Klimakrise – das ist auf Dauer schwer auszuhalten. Und so sind viele froh, die kleinen Lücken im Alltagsmaschendrahtzaun zu finden, durchzuschlüpfen und zumindest für einen Moment abzuschalten.
Unterwegs mit Klavier
„Durch das Hören meiner Musik möchte ich, dass die Menschen für ein paar Minuten der Realität entfliehen. Die Augen schließen und einfach SEIN. Keine Probleme. Keine Eile. Nur du und die Musik.“
2017/18 arbeitete Florian Christl als Werkstudent bei Sony. Eine seiner Kolleginnen hörte ihn Klavier spielen, war begeistert, machte die Klassikabteilung des Labels auf ihn aufmerksam und verschaffte ihm damit den ersten großen Deal.
Fortan konnte Christl sein Klavier an noch verrücktere Orte schieben – ein Markenzeichen aus früheren Tagen, in denen er hauptsächlich in Fußgängerzonen spielte. Jetzt waren es Gipfel, Bachufer, im Schnee, Orte mitten in der Natur. Das passt auch einfach richtig gut zu seiner Musik und vor allem ihrer Wirkung.
Mit Klavier auf dem Riesenrad
Herausforderung Ensemblespiel
„Im Kopf habe ich für jede Komposition eine ganz bestimmte Vorstellung und wie sie klingen muss. Die größte Herausforderung besteht darin, mein Ensemble dazu zu bringen, die Musik genau so zu spielen, wie ich es mir vorgestellt habe. Es gibt Details, die man nicht in die Partitur schreiben kann. Details, die die Musiker spüren müssen, um das Stück richtig zu spielen.“
Das Ensemble, das Florian Christl bei seiner Tour und dem Konzert in der Elbphilharmonie begleitet, weiß, worauf es ihm ankommt. Sie kennen diese Details, wissen unsichtbare Spielanleitungen umzusetzen.
Als Kind wollte Florian Christl Bierzelt-Musiker werden. Die Akkordeonisten, die er bei den Volksfesten im Ort erlebte, hatten es ihm angetan. Schon damals verstand er: Es geht bei Musik ums Gefühl – heute am Klavier vielleicht nur etwas nuancierter und feiner. Aber immer noch das große Gefühl.